Ethnie im deutschen Film, Fernsehen und Theater – Reaktionäre Rollenbesetzung

ARD/NDR TATORT: DIE BALLADE VON CENK UND VALERIE, am Sonntag (06.05.12) um 20:15 Uhr im ERSTEN. Cenk Batu (Mehmet Kurtulus). Wie weit wird er gehen, um seine Freundin zu retten? © NDR/Sandra Hoever

Ich schaue relativ viele Fernseh- und Kinofilme und gehe gerne ins Theater. Ich streite mich gerne über die Qualität der deutschen Film- und Fernsehlandschaft und der Theaterbranche, aber eines kann niemand leugnen: Nicht deutsch-aussehende Schauspieler_innen werden viel zu wenig besetzt. Wenn ich den Fernseher einschalte sehe ich vor allem bei Serien und Reihen fast durch die Bank weiße, deutschsprachige Protagonist_innen. Mehmet Kurtulus war als Kriminalhauptkommissar Cenk Batu im Hamburger Tatort nahezu eine Ausnahme, doch jetzt übernimmt Til Schweiger die Rolle.

Klischees und Stereotype
Im Schauspieler_innenportal „crew united“ kann man in seinem Lebenslauf bei „Ethnische Erscheinung“ von „mitteleuropäisch“, „arabisch“, „orientalisch“ über „osteuropäisch“, „schwarzafrikanisch“, „schwarzkaribisch“ bis zu „Mix weiß und asiatisch“ und „Mix weiß und schwarz“ wählen. Von 6824 registrierten, im deutschsprachigen Raum arbeitenden Schauspieler_innen, haben 88%, wie ich, „mitteleuropäisch“ angegeben. Wenn die kleine Minderheit der nicht „typisch deutsch“ aussehenden Darsteller_innen mal besetzt wird, werden sie von den Verantwortlichen in widerliche Rollenklischees gesteckt, in Stereotype, denen sie kaum entfliehen können. Eine Bekannte von mir, die in Teheran geborene Schauspielerin Elmira Rafizadeh, wurde früh mit dem Problem konfrontiert: „Für Film und Fernsehen bist du zunächst „Kopftuch“, „Ehrenmord“, „Islam“, „Migration“, „Terroristin“ und was es da sonst nicht alles rund um den Balkan und Orient zu erzählen gibt.“ Auch Daniel White, afrodeutscher Schauspieler beschreibt sein Rollenportfolio folgendermaßen: „US-Soldat, Dealer, zwielichtiger Gangster, der auch schon mal zuschlägt, und das wars dann auch schon. Der gemeinsame Nenner ist, dass es immer untrennbar mit meiner Hautfarbe verbunden ist.“ Aber warum kann er nicht mal einen Anwalt spielen, einen Familienvater, einen Kommissar? „Man sagt immer, das geht nicht, da schalten uns die Leute weg, Deutschland versteht das noch nicht“, so White. Die Exklusivität der „Eigenschaft deutsch“ und der Rassismus, der im Alltag ja sehr gerne von Medien und Gesellschaft geleugnet wird, wird in der Besetzung von Schauspieler_innen offen ausgelebt. Rollen, für die Schauspieler_innen wie Rafizadeh und White besetzt werden, stehen immer in einem Abhängigkeitsverhältnis. Nie sind es selbstbestimmte, frei handelnde Figuren wie „Chef_innen“. Wenn Abhängigkeit und ein niedriger sozialer Status mit Hautfarbe, Herkunft oder Aussehen gleichgesetzt wird, dann ist das Rassismus.

„Migrationshintergrund“ als Chance
Viele Schauspieler_innen, die sich ihre Rollen inzwischen aussuchen können und nicht aus finanziellen Gründen auf bestimmte Besetzungen angewiesen sind, lehnen solche Rollen ab und versuchen, sich auch in anderen Rollensparten zu profilieren. Doch es gibt auch Gegenbeispiele: Mark Zak, deutscher Schauspieler ukrainischer Herkunft stellte sich am Anfang seiner Karriere bei Castings folgendermaßen vor: „Guten Tag, hier Mark Zak, ganz einfach Z, A, K, falls Sie einen russischen oder osteuropäischen Banditen suchen, denken sie an mich…“. Er erklärt das damit, dass es für ihn als aus Fernsehsicht osteuropäisch wahrgenommenen Schauspieler zwar weniger mögliche Rollen gibt, aber die Auswahl der Schauspieler_innen auch geringer ist. „Man wird viel mehr wahrgenommen.“, so Zak.

Reproduktion von Alltagsrassismus
Dass sich Zak mit „Falls Sie einen russischen oder osteuropäischen Banditen suchen, denken sie an mich!“, quasi selbstironisch über die rassistischen Besetzungen stellt, macht das Problem aber nicht besser. Wenn „Banditen“ immer nur „ausländisch aussehend“ besetzt werden, reproduziert das rassistische Klischees. Wie soll Alltagsdiskriminierung verschwinden, wenn die Medien, die oft ein Vorbild für viele sind, die Denkweisen steuern und sogar manipulieren, ein Bild von Nicht-deutsch-aussehenden progagiert, das dermaßen reaktionär ist?

Muss jetzt eine Quote her?
Wenn man mit einer ähnlichen Strategie an das Problem gehen würde, wie die feministische Strategie, durch eine Quote mehr Frauen in Aufsichtsräte zu bekommen, könnte man sich jetzt Fragen: Braucht die deutsche Film-, Fernseh- und Theaterwelt eine „Migrant_innenquote“? Das hört sich natürlich erstmal sehr abwegig an, wurde aber durchaus schon ausprobiert. Mit Beginn der Intendanz von Karin Beier am Schauspiel Köln, führte sie 2007 eine Art Quote ein: 30% des Ensembles sollten aus nichtdeutschen Familien kommen, eine Zahl, die die Einwohner_innen Kölns widerspiegeln sollte. Beier wollte damit „eine Selbstverständlichkeit herstellen, so dass nicht jede Besetzung eine dramaturgische Bedeutung hat, sobald ein Darsteller eine andere Hautfarbe hat, als die gewohnte“. Hört sich ja ganz gut an, dachte ich, endlich mal ein schwarzes Gretchen, ein türkischer Romeo… Falsch gedacht: Mit Ausnahme der Eröffnungsinszenierung spielten die Neuen dann hauptsächlich in Stücken, die von Migration handelten und wurden auch größtenteils nach ein bis drei Spielzeiten wieder gekündigt. Chefdramaturgin Rita Thiele begründete das damit, dass ihnen wegen der Quote „umgekehrter Rassismus“ und „Paternalismus“ vorgeworfen wurde und dass Gastregisseur_innen in die Besetzungsentscheidung mit einbezogen werden sollen, und ihnen keine Schauspieler_innen durch eine Quote aufgezwungen werden sollten. „Das Ziel, einen deutlichen, möglichst großen Anteil von Kolleg_innenen aus internationalen Familien im Schauspielensemble zu beschäftigen, haben wir nicht aus dem Auge verloren. Der Anteil kann sich aber der künstlerischen Situation des Hauses entsprechend verändern, schwanken. Starre Vorgaben machen wenig Sinn“, so Thiele. Fail. Klingt irgendwie nach Kristina Schröder, Flexiquote und schwammiger Selbstverpflichtung.

Wenn sich in den Medien nichts ändert, tut sich auch in der Gesellschaft nichts!

Fest steht: Solange sich auf der Bühne, auf dem Bildschirm und auf der Kinoleinwand nichts ändert, solange Sat-1-Filme mit offen rassistischen Titeln wie „Buschpiloten küsst man nicht“ (2007) noch ausgestrahlt werden, in denen Afrikaner_innen als rückständige, abergläubische Ahnenritualist_innen dargestellt werden, ändert sich auch nichts am Alltagsrassismus der Gesellschaft. Nichtdeutsche sind viel mehr als „Gangster“, „Gemüsehändler“ und „Prostituierte“. Die Besetzungen spiegeln überhaupt nicht die Realität wieder, das Fernsehen, das Theater und der Film hinken wahnsinnig hinterher: Natürlich gibt es türkische Ärzt_innen, russische Familienväter und afrikanische Kommissare. Das kann man fiktionalisieren, ohne gleich eine Backgroundstory aufmachen zu müssen. Und wir haben doch so großartige Schauspieler_innen, die diese Figuren verkörpern können! Mit dargestellten Stereotypen, mit Rollenklischees und mit Rassismus muss endlich Schluss sein! In Sat1, im Stadttheater, in Dresden, im Kino, in Bayern, im Tatort, in Dortmund und überall: Rassismus raus aus den Köpfen!

Anmerkung der Redaktion
Weiterführende Links zu diesem Thema:
Stadt Revue „Die Quoten-Masche, Migranten am Schauspiel“
Spiegel Online „Integrationsdebatte, Was guckst du Thilo?“
NDR „Migrantin oder Dealer – Schwarze im Fernsehen“

Wir freuen uns über Ihre Meinung und weiteren Links/Verweisen in diesem Zusammenhang.

9 Kommentare
  1. Evi Rejeki sagte:

    Ich werde für Klischeerollen angefragt. In einer Folge bei Aktenzeichen XY, bei der ich mitwirkte, waren alle asiatischen Schauspieler deutschsprachig und wir mussten so tun, als ob wir kein deutsch konnten. Ein Hohn, nicht nur für die Zuschauer. (Dabei ist falsches deutsch zu sprechen, wie eine Fremdsprache für mich -gerade was die Melodie, die Wortwahl, die Intonation betrifft- )
    Wichtige Caster, die tlw. Preise gewonnen haben, rufen an und möchten mich zu einem Casting einladen und ich würde die Rolle einer Putze, etc. spielen, bitte in der Ficki-Ficki Sprache. Bravo, hat der/die Caster/in den Preis gewonnen, weil er/sie es tatsächlich gewagt hat, gegen den Strich zu besetzen?
    Filmstudenten, die gerade aus dem Ausland in einer der besten Filmschulen Deutschlands gelandet sind, bieten mir in ihrem schlechten deutsch Klischeerollen an. Und ich sage mir, spiel´s doch selber, du kannst viel besser schlechtes deutsch sprechen als ich.

    Meine damalige Agentur wäre stinksauer gewesen, wenn ich Einladungen/Rollen abgelehnt hätte. So etwas tut man nicht, erst recht nicht bei wichtigen Leuten.
    Lange hat es mich geärgert. Aber jetzt reicht es.
    Ich habe die Wahl (und das betrifft Schauspieler aller Herkunft). Und zum ersten Mal bei einer renommierten Casterin auf gut deutsch dankend abgelehnt. Was ist mir dadurch entgangen? Wichtige Kontakte? Meine Karriere? Gage? Alles, aber auch ein zweiter Anruf. Noch einmal wird sie mir so eine Rolle nicht anbieten. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar sehr hoch, dass sie mich nie wieder anrufen wird. Vielleicht spricht sich meine Absage sogar rum. Und? (Dies gilt auch wieder für alle – seid aktiv und jammert nicht rum!) Ich bin in die Produktion gegangen und entwickele Drehbücher. Ganz legitim, dass ich mir selber Rollen reinschreibe. Vielleicht sogar die, einer Anäesthesistin, die an der Charité praktiziert. So wie in der Realität. Da ist es meine älteste Schwester. Oder die Rolle einer Studentin, die Wirtschaftsinformatik studiert, nebenbei in einer Firma arbeitet und dort neue Software kontrolliert. Meine zweite Schwester.
    Caster, Regisseure, Redakteure und andere Filmemacher wagen nur begrenzt etwas, solange sie damit keine Schäden beim Publikum und bei Zahlen anrichten. Das gilt sowohl für Schauspieler mit und ohne (?) Migrationsgeschichte/background/Herkunft (was für dämliche Bezeichnungen dafür, um politisch korrekt zu bleiben). Gegen bestehenden, bequemen, arroganten, verängstigten, veralteten, von Vorurteilen geprägten Denkweisen und Systemen anzukämpfen, ist nerven- auf aufreibend. Ich tue es jetzt auf meine Weise.

    Aber es stimmt schon, dass ich mich frage, wann ein/e Schauspieler/in mit anderer Hautfarbe oder mit Handycap eine Hauptrolle im Kinofilm oder einen wichtigen Preis erhält. Das wird noch lange dauern. Es gibt einen unsichtbaren Ring, wo nur die 20 üblich verdächtigen Schauspieler drin sind, da möchte man gerne auch unter sich bleiben. Man schiebt sich gegenseitig die Rollen, Preise, etc. zu. Alle anderen bleiben außen vor. Das gilt für alle Schauschi´s mit und ohne bunter Hautfarbe.

    P.S. Aber manchmal ist es ganz nützlich, wenn man so aussieht, als ob man kein deutsch spricht. Dann hat man seine Ruhe. Z.Bsp. bei zwei älteren Damen, die vor meiner Tür standen und mir was von ihrem Wachturm erzählen wollten. Ich gab die Bedarfsasiatin, sie lächelten ganz lieb (wahrscheinlich tat ich ihnen leid, „aber ich dürfe sie auf keinen Fall reinlassen, weil ich sonst von meinem Mann Ärger bekäme“), bedankten sich und kehrten ganz schnell um.

    P.P.S: Liebe Caster, Regisseure, Redakteure, Sender und weitere Filmemacher, ich habe schon Schiss, diesen Beitrag zu schreiben. Aber das war deutschlich genug, ja? Ich bin keine Bedarfsasiatin, sondern Schauspielerin aus Schleswig-Holstein.

  2. Arab sagte:

    Liebe Elmira,
    kein Problem, ich denke, in Bezug auf die Problematik sind wir uns ja einig.
    Nur sehe ich das Glas halbvoll, während der Artikel behauptet, es sei leer … 😉
    Viele Grüße
    Arab

  3. Sven Eric sagte:

    @Elmira: Gerne bin ich für eine offene Besetzungskultur, wenn das bedeutet, dass Schauspieler gecasted werden, die in das Gesamtkonzept des Filmes passen. Wenn dadurch die Geschichte besser erzählt wird, dann kann auch der Schauspieler einen anderen Hintergrund haben als im Drehbuch, siehe zum Beispiel die französische Produktion „Ziemlich beste Freunde“ (ein deutsches Beispiel ist mir leider nicht eingefallen). Casting ist eine Kunst für sich.

    Aber das Drehbuch nur als oberflächliche Plattform zu sehen, halte ich für falsch. Daher fände ich es besser, wenn es bereits bei der Drehbuchentwicklung ein Umdenken stattfinden würde und die Rollen so angelegt werden, dass ein breiteres Spektrum an Schauspielern besetzt werden kann.

  4. Elmira sagte:

    Lieber Arab,

    ich entschuldige mich! Ich wollte keinesfalls „Worte verdrehen“. Stimmt, ich habe es so formuliert, dass es auf die Diskussion verstanden wird. Ich meinte aber tatsächlich, dass ich (persönlich) den Artikel nicht ignorant oder einseitig finde. Zumindest wenn man von dem Standpunkt ausgeht, dass es noch ein Ungleichgewicht in dem Bereich gibt. Aber das ist ja wie in jeder guten Debatte: auch hier zeigt der Autor (S)EINE Perspektive und das finde ich total in Ordnung, zumal es vielen aus der Seele spricht, wie ich mittlerweile bei Facebook & anderen Feedbacks von Lesern verfolgen konnte. Auch viele Filmemacher leiden scheinbar darunter, dass sie nicht die Freiheit haben, Besetzungen so zu gestalten, wie sie auch in der Realität der Gesellschaft vorzufinden ist. Und das kann man nicht oft genug aufzeigen, auch wenn es durchaus mehr und mehr Öffnungen in diese Richtung gibt.
    ja, natürlich können wir gerne „streiten“… oder lieber: diskutieren;-)

    Ganz liebe Grüße*
    Elmira

  5. Arab sagte:

    @elmira

    Wir können uns gerne streiten, aber bitte nicht, indem man dem anderen das Wort im Mund verdreht. Ich habe an keiner Stelle geschrieben, dass die Diskussion hier einseitig und ignorant wäre. Ich habe geschrieben, dass der Artikel einseitig und ignorant ist.

    Und zwar weil der Autor alle Gegenbeispiele krampfhaft ignoriert und stattdessen mit Pauschalisierungen um sich wirft. Er setzt damit die Schwarz-Weiß-Malerei, die er kritisiert, selber fort – nur mit umgekehrten Vorzeichen.

    MfG
    Arab

  6. Lissi sagte:

    Ein ausgesprochen guter, sehr richtiger Beitrag zu einem absolut wichtigen Thema. Natürlich gibt es auch immer Ausnahmen, aber die bestätigen doch leider nur die Regel. Kann man/frau nur hoffen, dass sich in den Köpfen der Entscheidungsträger endlich mal was bewegt!!, meint Lissi

  7. Elmira sagte:

    @ Arab:

    „Mehmet Kurtulus ist nicht abgelöst worden, weil er türkischstämmig ist (…)“

    Das hat der Autor auch nicht behauptet. Ich denke, es geht viel mehr darum, dass es klasse war/ist, Kurtulus in dieser Rolle erleben zu dürfen, aber dass solche außergewöhnlichen Besetzungen/Stoffe eher Raritäten sind. Das Kurtulus selber ausgestiegen ist, ist ja durch die Presse auch bekannt. Das ist nicht der Punkt. Sondern eher die Wehmut, dass jetzt wieder ein potentieller Quotengarant wie Schweiger als Nachfolger einberufen wird, obwohl man mit dem Kurtulus-Konzept eigentlich einen positiven Grundstein gelegt hatte, mehr in diese Richtung zu besetzen, zu erzählen, zu produzieren. Ich kenne Leute, die schauen selten Fernsehen und finden auch den Tatort tot-langweilig und sind erst durch den Kurtulus-Tatort als Zuschauer eingestiegen und waren seitdem große Fans des Hamburger-Tatorts. Die Schweiger-Umstellung ist für diese „Otto-Normal-Bekannte“ von mir jetzt ein absoluter Rückschritt.

    „sondern weil der NDR sich zwar ein hübsches Konzept für ihn ausgedacht hat (undercover-Ermittler), von dem aber klar war, dass es nach wenigen Folgen auserzählt ist.“

    „Auserzählt“ war das mit Sicherheit noch lange nicht! Aus NDR Pressemitteilungen ging ja sogar hervor, das man mit Kurtulus angeblich gerne weiter gearbeitet hätte, aber er selbst sich verstärkt seiner internationalen Filmkarriere widmen wolle. Was im Endeffekt der tatsächliche Beweggrund war, weiß man natürlich nie. Aber der Rahmen für seine Figur war so angelegt, dass man locker alle möglichen Themen und Stoffe weiter mit ihm hätte vertiefen können. Daher ist dieses ständige Argument „die Geschichte sei auserzählt“, wie es aktuell auch bei den Saarbrückner Kommissaren behauptet wurde, aus meiner Sicht ne total hahnebüchne Begründung! Gute Autoren können IMMER Stoffe ausbauen und weiter erzählen… Da gibt es genug Spielräume, wenn aber auch der Sender WILL und das ganze finanzierbar ist.

    Zu den Beispielen:
    „Tyron Rickets als Kommissar in “Soko Leipzig”
    Erdogan Atalay als Kommissar in “Cobra 11? seit x Jahren
    Pierre Sanoussi-Bliss als Kommissar “Axel Richter” in “Der Alte”
    davor Charles M. Huber als Kommissar in “Der Alte”
    seit x Jahren (Jahrzehnten?)
    Sheri Hagen als hohe Offizierin (Bundeswehr?) in “Vulkan”
    Elmira Rafizadeh habe ich diese Woche als Polizistin gesehen in “Lösegeld”
    Minh-Khai Phan-Thi spielt seit Jahren in der “Nachtschicht”-Reihe eine Kommissarin
    Aylin Tezel wird “Tatort”-Kommissarin in Dortmund
    usw.“

    Was fällt hier auf? Ganz klar handelt es sich bei den Meisten Schauspieler_innen wie Tyron, Minh-Khai, Aylin oder auch Sibel Kekilli, die in tragenden Rollen zu sehen sind um Personen, die bereits im Vorfeld recht prominent waren oder ihre „Bonitätsprüfung“ durch Filmpreise bzw. andere (ausländisch angelegte!) Rollen erstmal unter Beweis stellen mussten.

    Diese „Reifeprüfung“ müssen natürlich auch europäisch aussehende Schauspieler_innen durchlaufen. Tatort-Kommissare sind ja selten „No-Names“. Aber es ist nicht zu leugnen, dass die Mehrzahl der Rollen-Angebote für „nicht-prominente“ Schauspieler_innen mit Migrationshintergrund zunächst einmal ausschließlich ihren „Typ“ bedienen.
    Und hier besteht auch in meiner Wahrnehmung eine Überpräsenz vom „türkischen Ehrenmord Bruder“ bis hin zum „Polnischen Kleinkriminellen“ oder der „Russischen Prostituierten“. Klar, das gibt es ja auch alles. Aber nicht NUR. Die Balance in die andere Richtung (der Russische Anwalt, die türkische Steuerbeamtin, oder die asiatische Lehrerin) ist an dieser Stelle im gesellschaftlichen Kontext einfach noch viel zu unausgewogen.
    Auch wenn ich selbst neulich – wie oben richtig erwähnt – als „Polizistin“ in Lösegeld zu sehen war, bestehen 90% meiner Angebote aus Rollen mit Kopftuch, ausländischem Akzent u.s.w. Ich bin überaus dankbar und total glücklich, bei „Lösegeld“ mal ohne „Background-Story“ besetzt worden zu sein. Habe ich aber nur dem tollen Caster zu verdanken – der auch mal durchsetzt, einen indisch-stämmigen Schauspieler als „Kölsch-sprechenden-Würstchenbudenbetreiber“ zu besetzen – und natürlich auch dem tollen Regisseur, der das Buch und meine Figur in dieser Form geschrieben und eine offene und ganz selbstverständliche Haltung dazu hat.

    Leider ist das aber nicht bei allen Entscheidungsträgern der Fall.
    Bestes Beispiel (schrieben 2 Leser/Filmemacher zu diesem Artikel bei FB):

    Sven: „Ich bin für die Besetzung von Schauspielern für Rollen, in die sie auch passen. Das bedeutet: Wenn die Drehbücher keine arabischen, orientalischen oder schwarzen Schauspieler vorsehen, dann müssen wir erst einmal an den Büchern arbeiten.“

    Matthias: „nein, das ist ja Sinn der Sache. Ich kenne zb einen Arzt, der aus Ghana stammt. , wenn ein Drehbuch einen Arzt vorgibt, wieso nicht einfach mit einem Asiaten, Türken, Chinesen oder Afroamerikaner besetzen? Gerade die Theorie, dass man es rechtfertigen muss, wieso ein Arzt schwarz ist, ist doch von gestern.“

    Insofern finde ich diese Diskussion hier sehr wichtig und auch richtig! Sie ist nicht einseitig und ignorant, sondern zeigt einen einseitigen und ignoranten TEIL unserer Film- TV- und Theaterwelt auf, die leider nunmal auch existiert. Wie bei jedem Thema ist auch hier nicht alles nur schwarz oder weiß. Es gibt durchaus auch viele geschätzte Filmemacher, Caster und Redakteure, die sich für eine zeitgemäße und offene Besetzungskultur einsetzen. Aber auch ich höre immer wieder von dem Gegenwind, der diesen Personen entgegenkommt: „ja aber der Zuschauer versteht das ja nicht (…)“ ????????

  8. Arab sagte:

    Selten einen so einseitigen Artikel gelesen.

    Mal ein paar Details:

    Was ist an dem Titel „Buschpiloten küsst man nicht“ rassistisch?
    Der Buschpilot in dem SAT1-Film war ein Weißer. Wikipedia: „Buschpilot ist keine Berufsbezeichnung im eigentlichen Sinne, sondern ein Begriff für einen Piloten, der hauptsächlich in unwegsamem Gelände Flüge durchführt.“

    Mehmet Kurtulus ist nicht abgelöst worden, weil er türkischstämmig ist, sondern weil der NDR sich zwar ein hübsches Konzept für ihn ausgedacht hat (undercover-Ermittler), von dem aber klar war, dass es nach wenigen Folgen auserzählt ist.

    Natürlich gibt es mehrfach und schon länger nicht-rein-deutsche Schauspieler (für die politisch Korrekten: „People of Colour“ ) in tragenden Rollen, die nichts mit Drogendealer, Gangsterboss oder Ehrenmord zu tun haben. Und die nicht „widerliche Rollenklischees“ sind, sondern gute, große und moralisch integre Rollen.

    Wahllose Beispiele:

    Tyron Rickets als Kommissar in „Soko Leipzig“

    Erdogan Atalay als Kommissar in „Cobra 11“ seit x Jahren

    Pierre Sanoussi-Bliss als Kommissar „Axel Richter“ in „Der Alte“
    davor Charles M. Huber als Kommissar in „Der Alte“
    seit x Jahren (Jahrzehnten?)

    Sheri Hagen als hohe Offizierin (Bundeswehr?) in „Vulkan“

    Elmira Rafizadeh habe ich diese Woche als Polizistin gesehen in „Lösegeld“

    Minh-Khai Phan-Thi spielt seit Jahren in der „Nachtschicht“-Reihe eine Kommissarin

    Aylin Tezel wird „Tatort“-Kommissarin in Dortmund

    usw.

    Also: Nichts gegen Kritik an der Besetzungspolitik.

    Aber so zu tun, als wäre alles nur schlimm, rassistisch und böse, ist lächerlich und verkehrt den gut gemeinten Artikel in einseitige Ignoranz.

    MfG
    Arab

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