Prinzip Neubauer: Viel hilft viel?

Bild-Ausschnitt aus der „TV-Today“

Mich fragte letztens ein Freund aus einer gänzlich anderen Berufssparte, warum denn alle Film- und TV-Leute die Schauspielerin Christine Neubauer immer so „haten“ würden.  Ob das nicht insgeheim der „Neid der Besitzlosen“ sei? Schließlich habe sie soviel Arbeit, von der andere Schauspieler nur träumen könnten. Nun ja, ich fragte ihn, ob er jemals einen Film mit Christine Neubauer gesehen habe. Hatte er natürlich nicht!

Sicherlich ist Frau Neubauer für die AG-60-plus-Haupt-Zuschauerschaft der öffentlich-rechtlichen Sender zur wohligen, familiären Gewohnheit geworden und bietet demnach Stabilität in sonst quoten-stürmischen Zeiten. Das öffentliche Fernsehen soll ja für jede Nische was bieten, möglichst alle Altersgruppen glücklich machen und uns mit Kultur und Bildung bereichern. Da muss eben auch Platz für Schmonzetten sein.

Aber wie man der ironischen „TV-Today“-Collage oben entnehmen kann, spielt sie in gefühlten 48 Prozent aller Filme der ARD und ZDF die Hauptrolle. Ergo: ARD/ZDF-Fernsehspiele sind Zentrum aller Groschenheft-Formate? Ein Auszug aus Neubauers Filmografie offenbart uns blumige Titel wie „Ein Sommer auf Sylt“, „Die Erntehelferin“, „Schaumküsse“ oder „Folge deinem Herzen“, die diese Angabe unterstreicht.

Man erinnere sich an die amüsante Eskalation, als Regisseurin Doris Dörri ihrem Neubauer-Unmut in einem Gespräch mit „TV-Spielfilm“ freien Lauf ließ: „Wenn ich noch eine Frau sehe, die eigentlich 50 ist, aber sagt, sie ist 35, und einen Bauernhof in Afrika aufmacht, dann hole ich das Maschinengewehr.“ Zwar entschuldigte sich Dörrie damals öffentlich für ihre Bemerkung, legte im „SZ-Magazin“ aber scharfe Kritik mit den Worten nach: „Ich bestehe darauf, dass die Programmverantwortlichen komplett bescheuert sind, 115 Filme im Jahr mit ihr zu zeigen.“

Die Neubauersche Überpräsenz treibt nicht nur viele Filmemacher und Schauspieler, sondern sicherlich auch das Publikum von 14 bis 49 zum Stöhnen. Die Frage ist: Sind wir gereizt von Frau Neubauers Monopol-Dasein oder vielmehr durch die Tatsache, dass die Heimatschnulze zum medialen Dauerunfall wird?

Ich kenne keinen Schauspieler, der sich nicht in wechselnden Figuren zeigen wollte. Ein Leben lang „den Bösewicht“ oder „die Prinzessin vom Lande“ spielen kann doch langfristig keine Erfüllung sein. Aber kommt man aus so einer Schublade je wieder raus? Und will das eine Frau Neubauer überhaupt? Immerhin kann sie von ihrem Beruf sehr gut leben, und im Zeitalter von sinkenden Budgets und massiger Arbeitslosigleit sitzt sie mit ihrem Genre stabil im Boot und ist absolut sicher vor dem Ertrinken. Eine düstere Rolle fernab der etablierten Idylle würde ihrem Image und folglich den Produzenten und Sendern, mit denen sie arbeitet, auch nicht unbedingt gut tun. „Sie habe nie in einem ,Tatort‘ mitgemacht, zu grau, zu kriminell ist die Krimiwelt für eine wie sie“, heisst es in „Die Vielspielerin“, wo sich weitere Statistiken zu ihrer Arbeit sehen lassen können.

In der aktuellen Print- wie auch Online-Ausgabe der „TV Spielfilm“ ist nun ein interessanter Artikel zum Thema „Schauspieler-Gagen: Wer verdient wie viel?“ zu finden. Dazu wird von einer Leserin unter anderem kommentiert: „Kein Wunder, dass Christine Neubauer jede Rolle annimmt und Tanja Schumann (,RTL Samstag Nacht‘) heute Teleshopping macht!“

Nur, um es noch einmal klar zu stellen: Es wird immer gern behauptet, Schauspieler verdienten viel, wenn nicht sogar zuviel. Im Fall von „Stars“ wie Neubauer, Ferres oder Adorf mag das auch zutreffen. Die Gagenrealität sieht beim Großteil der arbeitenden Schauspieler hierzulande aber gewaltig anders aus! Natürlich gibt es nicht nur in unserem Business, sondern in nahezu allen Berufsfeldern das Gefälle zwischen Spitzenverdienern und der mittleren bis unteren Schicht. Medienberufe und selbstständige Patchwork-Verdiener sind leider in der sozialrechtlichen Hierarchie unseres Systems massiv benachteiligt. Aber das ist wieder ein ganz eigenes Kapitel für sich…

Ein kleiner Exkurs zum Gagen-Alltag: Vergesst den Applaus, wir brauchen Geld („Spiegel-Online“), Berühmt, aber arm (NDR.de), Schauspieler in Deutschland: viel Glamour, wenig Geld (BFFS-Studie mit der Forschungsgruppe Bema an der Uni Münster).

3 Kommentare
  1. James sagte:

    …Deutschland deine „Stars“…über Kunst läßt sich bekanntlich streiten. Hierbei handelt es sich jedoch um Produkte, hptsl. aus dem Hause Ziegler, nicht wahr ?
    Eine funktionierende Franchise, die Profit abwirft, wird kein Programmverantwortlicher zugunsten von „Kunst“ austauschen. Unser Markt wird nunmal vom Profit dominiert, aber das weiß man doch nicht erst seit Neubauer ?

    Letztendlich, 20000 arbeitslose SchauspielerInnen hin oder her, entscheiden über jobs nicht können, sondern Connections, Zufall und Geld. Und Deutsch sprechen gerade mal 100 Milionen Menschen…

  2. Ursula Weise sagte:

    Ich bin Jahrgang 1950 und Frau Neubauer geht mir dennoch derartig auf den Geist, dass ich mir ihre Filme mittlerweile nicht mehr ansehe. In erster Linie stört mich nicht einmal die Häufigkeit ihrer Präsenz in Hauptrollen, sondern ihre Mimik. Völlig gleichgültig, welche Rolle sie spielt, sie hat immer die gleiche Mimik, die mich an Kinder erinnert, die über eine Situation hinwegbluffen wollen. Ich würde sagen, sie kann – im Unterschied zu Frau Ferres – nicht spielen. Bei Frau Ferres ist man gespannt, wie sie eine Rolle umsetzen wird, bei Frau Neubauer weiss man es im Voraus – und das ist mehr als langweilig und es ist unverständlich, dass so etwas beim Publikum immer wieder durchgeht.

  3. Sabine sagte:

    Als eine Nicht-Tv- bzw.-Filmschaffende und der AG 60+4 Zugehörige, die auch keine schauspielernden Kinder hat, möchte ich nun aber doch mal kundtun, dass diese Altersgruppe durchaus noch gewisse Ansprüche jenseits der leider nun auch öffentlich-rechtlichen Seichtgebiete an die Fernsehunterhaltung hat.

    Es ist tatsächlich so, dass ein regelrechtes Wutgefühl in mir aufsteigt, wenn wieder mal Frau Neubauer eng geschnürt und High Heels bewehrt durch afrikanische Wüsten stöckelt. Ob man sich an entsprechender Stelle dieser aus ihrer Omnipräsenz resultierenden Wirkung nicht doch mal bewusst werden und v.a. etwas dagegen tun könnte? Vielleicht könnte sie sich ja selber aus Dorris Dörries`Schusslinie bringen und sich mal ein Sabbatjahr gönnen. Am Geld wird`s wohl nicht scheitern.

    Wie nur kann man sich als Zuschauer dagegen wehren, dass fast jeder Film, der auch nur den Hauch eines geistigen Anspruchs erahnen lässt, zu Zeiten gesendet wird, zu denen nur Menschen wach sind, die wegen schmerz- oder AG 60+ bedingter Schlaflosigkeit überhaupt noch als Zuschauer in Frage kommen? Nur durch Abschalten? Es kann doch nicht sein, dass Filme, die auf Festivals hoch gelobt werden, die man sich als ansehenswert notiert, anschließend in den Archiven verschwinden oder eben im Nachtprogramm versteckt werden.

    Vielleicht sollte mal über eine allgemeine Mobilmachung gegen den geistigen Notstand nachgedacht werden…
    So lange müssen eben wir Zuschauer unsere eigenen Programmchefs sein und die Mediatheken nutzen.

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