Vertane Chance

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Eine Woche vor der Parlamentsdebatte lobte Monika Grütters noch die Filmschaffenden bei der Verleihung des „Deutschen Filmpreises“. Doch unter welchen Bedingungen die arbeiten müssen, ist Deutschlands oberster Filmförderin weiterhin egal. | Foto © API/Michael Tinnefeld

Alles wird gut! Deutschland erhält ein neues Filmförderungsgesetz, und dieses stärkt die „nationale und internationale Strahlkraft des deutschen Films.“ Das meldete das Presseamt der Bundesregierung am vorletzten Freitag. Anlass war die erste Lesung über den Regierungsentwurf des Filmförderungsgesetzes (FFG) vor dem Bundestag. Mit dem Entwurf „rollen wir künftigen Filmerfolgen den roten Teppich aus“, erzählte die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, den Abgeordneten. Und dies sei auch das Ziel der Gesetzesnovelle, welche die Rechtsgrundlage für die Filmförderungsanstalt (FFA) ist. Als Beispiel für den Erfolgskurs mussten natürlich wieder die Cannes-Einladung für Toni Erdmann herhalten und der Rekord beim Marktanteil deutscher Filme im vorigen Jahr. Denn, so Grütters: „Solche Erfolge zeigen: Wir sind mit unserer Filmförderung auf dem richtigen Weg.“

Den Abgeordneten konnte sie das offenbar erzählen. Doch das Vorjahresergebnis stützt sich auf zwei Filme, ohne die 2015 unterdurchschnittlich verlaufen wäre; und die Aufregung ums Mitmachen im Wettbewerb lässt sich auch nicht so einfach erklären. Aus Großbritannien etwa waren da sogar zwei Filme vertreten, von denen einer auch noch die „Goldene Palme“ gewann. Die Briten nahmen das gelassener auf.

Wie auch immer: „Damit künstlerische und wirtschaftliche Wagnisse auch in Zukunft möglich bleiben“, will Grütters unter anderem mehr Geld von den Sendern. 3 Prozent statt bisher 2,5 Prozent sollen die öffentlich-rechtlichen künftig zahlen, doch ARD und ZDF hätten schon ihre Bereitschaft erklärt, „freiwillig auf 4 Prozent aufzustocken.“ Die Förderung selbst soll effizienter werden: Weniger Projekte werden gefördert, dafür erhalten sie mehr Geld. Und die Förderung für Drehbücher und Kurzfilme wird ausgebaut.

Um die Kinos zu stärken und strahlen zu lassen, werden die bisherigen Sperrfristen aufrechterhalten, die garantieren, dass ein Film in der Regel sechs Monate dem Kino vorbehalten bleibt, bevor er etwa auf DVD zu haben ist. Schön wär’s: Die „Regel“ gilt vielleicht noch fürs Arthouse und bedeutet für geförderte Filme einen Nachteil. Großspektakel wie „Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere“ oder „Marvel’s The Avengers“ brauchen nämlich gerade noch viereinhalb Monate, bis sie fürs Heimkino erscheinen.

Der Regieverband (BVR) hatte sich schon im März gegen den Entwurf gewandt, als der von der Regierung „durchgewunken“ wurde (cinearte 367): Er „verschlimmbessere das bereits 2002 nur unzureichend novellierte Urhebervertragsrecht” und bleibe hinter dem, was ein Referentenentwurf auf der Berlinale noch erhoffen ließ. Und der sei schon hinter dem zurückgeblieben, was ein erster „Diskussionsentwurf“ erwarten ließ, listet der Berliner Arbeitskreis Film auf seiner Website detailliert auf.

Die Regisseure beklagen vor allem eine „Schieflage für Urheber und ihre Verbände“. Zwar habe der Bundesgerichtshof seit Jahrzehnten den Grundsatz entwickelt, Urheber an den Erträgnissen und Vorteilen einer jeden Nutzung angemessen zu beteiligen, in der Praxis werde der Anspruch von den Verwertern aber oft behindert und verschleppt, von Gemeinsamen Vergütungsregeln ganz zu schweigen. Der Regierungsentwurf nehme sogar den Grundsatz des BGH zurück.

Der Bundesrat hatte zum Teil noch andere Auffassungen. Unter anderem hatte die Länderkammer flexiblere Sperrfristen für die verschiedenen Auswertungskanäle verlangt und wollte die Förderzusage auch nicht mehr generell von einer Kinoauswertung abhängig machen. Die Bundesregierung antwortete darauf „mit teils sehr drastischen Argumenten“, berichtet Blickpunkt: Film. Auch das Prädikat „Wertvoll“ der Filmbewertungsstelle (eine gemeinsame Einrichtung aller Bundesländer) sei „nicht geeignet“, herausragende Filme für die Referenzförderung zu bestimmen, so die Regierung.

Das Festhalten an den Sperrfristen für geförderte Kinofilme beweise „leider einmal mehr“, dass BKM und Kabinett „den Kinoverbänden hörig“ seien und „die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben“, kommentierte das der Produzent Martin Hagemann, Professor an der Filmuniversität Babelsberg und Mitglied in der Richtlinienkommission der FFA, auf Facebook. Publikum und Rezeptionsgewohnheiten hätten sich geändert, „mehr und auch interessantere Angebote“ würden auf anderen Plattformen wahrgenommen. In den USA und Großbritannien überdenken Vertriebe und Kinoketten zur Zeit ihre Herausbringungsstrategien, führt Hagemann an: „Mit Kino-Exklusivität für sechs Monate wird dieser Zersplitterung des Publikums nicht Einhalt zu gebieten sein. Diese Zersplitterung, nur aus Sicht der alten Geschäftsmodelle negativ konnotiert, heißt ja erstmal nur, dass an Stelle des Konzepts ,Massenerfolg‘ (kleinster gemeinsamer Nenner) immer stärker das Konzept der ,ausdifferenzierten Interessen‘ tritt.“

Erwartet wird, dass alle Fraktionen der Vorlage der Regierung folgen werden – mit ausnahme der Linken. Deren Abgeordneter Harald Petzold, Mitglied im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien, findet es „unglaublich, dass der Entwurf […] mit keinem Wort die prekären Arbeitsbedingungen in der Filmbranche thematisiert.“

Tatsächlich ist das kein Thema in den Diskussionen. Zwar geht es in Entwürfen, Entgegnungen und Reden immer wieder um Frauenanteil und Geschlechtergerechtigkeit in der Branche. Tabea Rößner, die Mediensprecherin der Grünen, verstieg sich in ihrer Rede vor dem Bundestag sogar zu der Behauptung, Maren Ade habe in Cannes keinen Preis gewonnen, „weil der Film von Frauen ist“, und solche Argumente werden zur Zeit oft angeführt. Denn dass Frauen in der Filmbranche benachteiligt sind, sei ja hinlänglich bekannt, so Rösner weiter: „Überwiegend Männer entscheiden, wer welche Förderung bekommt. Und es sind überwiegend Männer, deren Projekte gefördert werden.“

Interessant wäre, ob es sich nicht auch andersherum so verhält, also auch überwiegend Männer abgelehnt werden. Doch wer will das schon nachzählen? Wer mag, kann im Internet großartige Schilderungen von Achim Bornhak alias Akiz nachlesen, welche Probleme er zu ignorieren hatte, um seinen „Nachtmahr“ zu drehen – obwohl er ein Mann ist.

Und schon ein erster rascher Blick auf die Entscheidungsgremien der Länderförderanstalten lässt Rösners populistische Behauptungen wackeln: 4 Frauen und 2 Männer trafen die jüngsten Entscheidungen im Gremium 1 der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, 4 Frauen und 5 Männer bei der MFG Baden-Württemberg. Beim FFF Bayern und der Filmstiftung NRW sind es allerdings noch doppelt so viele Männer wie Frauen. Was freilich dazu einlädt, mal zu vergleichen, wie Besetzung und Entscheidungen tatsächlich zusammenspielen. Das würde mehr Klarheit in die Argumentation bringen.

Die Arbeitsbedingungen in der Branche selbst hat aber sonst nur der Bundesrat angesprochen. Doch da sieht die Bundesregierung in ihrer Entgegnung „keine Verpflichtung“ der Filmförderungsanstalt, im Rahmen der Filmförderung die Arbeitsbedingungen der Förderempfänger zu überprüfen oder zu überwachen.“ Das würde die Institution überlasten. Die FFA könne aber mit empirischen Studien oder Konferenzen, Tagungen und Fortbildungen zu relevanten Themen die Schaffung und Einhaltung sozialverträglicher Bedingungen unterstützen.

Als ob es die nicht schon zur Genüge gäbe. Wenigstens ist das Thema auf dem Tisch – auch wenn die Diskussionen und Medienberichte sich lieber noch mit anderem aufhalten und Kreativität nach primären Geschlechtsorganen beurteilen.

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