Cinema Moralia – Folge 164: Verteidigung der Uneindeutigkeit

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Ganz so einfach ist es nicht...

Ganz so einfach ist es nicht...

Moral, Schuld und Kunst­kritik: »Lost in Politics«, wir Parti­sanen der Ambi­va­lenz und die Debatte zum »Fall Weinstein« – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kino­ge­hers, 164. Folge

»Warum gibt es diese Obsession, nach dem Ange­mes­senen und nach dem Korrekten zu fragen?«
Cristina Nord bei »Lost in Politics« in Leipzig, 1.11.17

Heute bei der Dok Leipzig: Der Verband der Film­kritik debat­tierte über »Lost in Politics«, also Formen und Varianten des Poli­ti­schen im Kino und darüber, was es eigent­lich heißt, wenn man von »poli­ti­schen« Filmen redet. Klarer­weise ging es diesmal vor allem um das Poli­ti­sche im und am Doku­men­tar­film: Sind (Doku­mentar-) Filme auto­ma­tisch dringlich oder wichtig, weil sie mit wichtigen oder dring­li­chen Themen befasst sind? Geht das, was (Doku­mentar-) Filme politisch meinen, in dem auf, was sie ästhe­tisch tun? Drei Autoren stellten, moderiert von Heike Melba Fendel, jeweils gegen­wär­tige Film­bei­spiele vor: Cristina Nord  Auster­litz (von Sergei Loznitsa), Patrick Holzapfel I Am Not Your Negro (Raoul Peck), und Jide Tom Akin­le­minu den argen­ti­ni­schen Film Project 55 aus dem aktuellen Wett­be­werb.

Die Veran­stal­tung war sehr anregend und stel­len­weise kontro­vers. Es ging dabei vor allem um das Verhältnis von Main­stream­kino zu Kunstkino, darum ob Filme, die den Regeln folgen, stand ihnen Wider­stand entge­gen­zu­setzen, trotzdem gut sein können und ob es immer gut ist, Regeln anzu­greifen. Die Film­aus­schnitte hätten kürzer sein dürfen, die gesamte Veran­stal­tung dafür länger. So blieb einiges auf der Strecke.
Was ich mitnehme, ist der diffuse Verdruss darüber, dass Film­kritik immer etwas gegen Main­stream an-sich haben muss, statt guten Main­stream von schlechtem zu unter­scheiden, warum Attrak­tion, Emotion, und Exzeß bei vielen Kollegen scheinbar syste­misch unter Verdacht stehen…

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»Frage: Fehler über Fehler und nix gelernt. Warum ist »konkret« heute dennoch ein klügeres Blatt als je zuvor?
Hermann L. Gremliza: Darum, dass »konkret« dieser Gesell­schaft immer mehr als Fremd­körper begegnet, dass es zersetzt und nieder­macht, kein bisschen konstruktiv ist, die Politik nicht mehr »berät«, was früher allzuoft vorkam. keine Taktik kennt, zu Recht nicht unter das Plura­l­etantum »die Medien« fällt, und auch von denen nicht gezählt wird. Ein Dank an die werbende Wirt­schaft, dass sie uns nie in Versu­chung geführt hat an ihrem Geld zu verblöden.«
(aus: Konkret, 11/2017)

»Konkret« ist nicht in jeder Hinsicht ein Vorbild, aber in mancher. Jeden­falls eine unent­behr­liche Lektüre. Diesen November 100 Jahre nach der Großen Okto­ber­re­vo­lu­tion, feiert das Magazin seinen 60. Geburtstag. Wir gratu­lieren!

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Aus 50 Jahren Berufs­er­fah­rung plaudert Rosa von Praunheim. »Wie wird man reich und berühmt? heißt sein neues Buch im Martin Schmitz Verlag, das unter anderem auch Inter­views mit Tom Tykwer und Nico Hofmann enthält, und sehr launig, lustig zu lesen ist.

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Das BKM hat eine Studie über »Frauen in Kultur und Medien: Ein Europäi­scher Vergleich« gefördert, die »Hertie School of Gover­nance« ist dafür vermut­lich gut bezahlt worden. Um die Ergeb­nisse zu erfahren, muss man nicht mal die Studie lesen. Es genügt der Blick auf die Macher. Lauter junge Frauen haben die Arbeit erledigt. Über ihnen
ein alter Mann, der Chef.

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Wir freuen uns daher schon jetzt auf die Entschei­dung über die Nachfolge von Dieter Kosslick als Berlinale-Chef. Der will bekannt­lich sein eigener Nach­folger werden, muss dafür aber wohl schleu­nigst eine Geschlechts­um­wand­lung bean­tragen. Denn einziges »hartes« Kriterium für die darüber entschei­dende Kultur­staats­mi­nis­terin Monika Grütters ist: Es muss eine Frau werden. Tolles Kriterium – und so wahn­sinnig kulturell! Grütters braucht dafür nach eigener Aussage auch keine Findungs­kom­mis­sion. Gefunden hat sie aber, wie zu hören ist, auch noch niemanden, auch keine Frau. Könnte also gut sein, dass Kosslick sein eigener Nach­folger wird.
Die schlimmste aller möglichen Varianten wäre aber die, dass Kosslick eine Art Präsident wird, unter dem dann eine Frau als künst­le­ri­sche Leiterin amtiert. Hoffent­lich ist keine so dumm oder so eitel, sich darauf einzu­lassen. Wenn doch, wäre dies der symbo­li­sche Beweis, dass »eine Frau es alleine nicht schafft, sondern einen starken Mann braucht, der ihr über die Schulter schaut.«
Das wäre dann auch ein neues Kapitel zum Thema »Frauen in Kultur und Medien«.

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Zum »Fall Weinstein« gab es in den letzten Wochen viele Gespräche, vor allem mit Frauen. Männer sagen dazu wenig. Die Frauen aber zumindest mir nicht, was anderen Frauen gefällt: »Ihr werdet alle noch in der Ecke sitzen und weinen, weil keiner mehr guckt.« »Irgend­wann gucken ja nicht mal mehr die Alten.« Ich war dann der, der gesagt hat, es gehe ja hier nicht ums gucken.
Eine Schau­spie­lerin schrieb im femi­nis­ti­schen Leitorgan BILD: »Er hat mich nicht angefasst, aber ich empfand es als Miss­brauch.« Der Text macht klar, wer gemeint ist. Sind wir so weit gekommen, dass Empfinden genügt für den öffent­li­chen Pranger?
Eine zweite Schau­spie­lerin über den Regisseur: »Wie der mich ange­schaut hat.« – Ja was soll er denn sonst tun der Regisseur? Das sind – es wird jetzt wieder manche aufregen – es sind über­trie­bene Sensi­bi­litäten. Das Zauber­wort »Sexismus« erlaubt ein undif­fe­ren­ziertes Zusam­men­fassen von solchen Bana­litäten und Verbre­chen.

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Noch etwas dazu: Der Grundsatz der Unschulds­ver­mu­tung, der Grundsatz des »Keine Verur­tei­lung ohne Beweise« und der Grundsatz »Im Zweifel für den Ange­klagten« können im konkreten Fall dazu führen, dass Täter nicht verur­teilt werden. Das ist schmerz­haft, sehr schmerz­haft. Gerade hat eine Regis­seurin, Kathryn Bigelow in ihrem neuen Film »Detroit« gezeigt, wie schmerz­haft für die Betei­ligten, die es besser wissen, es aber nicht beweisen können.
Aber sie macht auch klar, dass die Alter­na­tive noch schlechter ist,

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Provo­ka­tion ist für diesen Blog wichtiger, als Political Correct­ness. Aber keines­wegs Provo­ka­tion um der Provo­ka­tion willen. Sondern es geht darum, das Ungesagte zum Sprechen zu bringen, Minder­heits­mei­nungen und dissi­dente Posi­tionen zu Gehör zu bringen, nach­zu­fragen, wo alle sich einig sind. Ich schätze Parti­sanen, Menschen, die Front­li­nien nach beiden Seiten über­schreiten. Wie bei der oben erwähnten »Lost in Politics«-Veran­stal­tung. Da wurde aus meiner Sicht Raoul Pecks »I am not your Negro« viel zu hart ange­griffen: »Main­stream«, »Inhal­tismus«, »Propa­ganda«. Stimmt alles, ist aber längst nicht alles, was zu dem Film zu sagen ist. Also hab ich ihn aus dem Publikum heraus vertei­digt. Hätten ihn alle als größten Doku­men­tar­film des Jahres gelobt, hätte ich das Gegenteil getan.
Viel wichtiger noch ist aber Ambi­va­lenz. Die Verei­di­gung der Unein­deu­tig­keit. Wider­sprüche gehören zum Leben. Wer das nicht spürt, ist unsen­sibel. Wenn alle der gleichen Meinung sind, ist das immer gefähr­lich.
Ich ziehe die Position vor, nirgendwo einen absoluten Halt zu haben, nirgends. Aber eine Haltung. Altmo­disch heißt das: Charakter. Ich ziehe das Unein­deu­tige vor, weil Eindeu­tig­keit falsch ist. Fast immer. Jeder dogma­ti­sche Stand­punkt, jede Form des Funda­men­ta­lismus und jeder Diktatur der Meinungen, des Glaubens, ist falsch.

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Das musste einmal gesagt werden, weil doch immer wieder Leser meine Texte einfach miss­ver­stehen. So etwa Sophie Charlotte Rieger, die als »Filmlöwin« den gleich­na­migen Blog betreibt. Ich schätze Sophie Charlotte Rieger, ich finde ihren Blog sehr lesens­wert, auch wenn mir die Idee ihres Block­buster-Checks recht unsym­pa­thisch ist. Check, das klingt nach ZDF-Waren­tests und der Blog hat in der prak­ti­schen Ausfüh­rung Elemente einer Gedan­ken­po­lizei. Punkte werden da für Geschlech­ter­rollen, für Sexua­lität/Asexua­lität, für Dresscode und Derglei­chen mehr vergeben.
Meinem letzten Text zum »Thema Weinstein« wollte ich sowieso noch einiges hinzu­fügen. Jetzt hat die Filmlöwin ihn mit einer ausführ­li­chen Funda­men­tal­kritik gewürdigt, die ich nicht igno­rieren will. Denn abgesehen von meinem Respekt für die Autorin, an der ich allein auszu­setzen habe, dass sie mir nicht eben soviel Respekt entge­gen­bringt, gibt er Anlass, die Debatte weiter­zu­führen. Dass das notwendig ist, da sind wir uns immerhin vermut­lich
einig.
Der persön­lich pole­mi­sche Stil von Rieger, ihr Ton, macht ihren Text freilich schwächer, als er sein müsste, denn sie hat es ja gar nicht nötig, Worte zu schreiben, wie ich würde »krakelen.«
Man weiß ja eigent­lich: Den Gegner stark machen, sonst wird der eigene Text schwach.

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Auf fast jeden Satz ihrer Replik, die hier nach­zu­lesen ist, müsste und könnte man antworten.
Mein Text, schreibt sie, sei »eine Anein­an­der­rei­hung von Rape Culture Mythen, What­a­bou­tism und misogynen Rheto­riken« und ein vernich­tendes Zeugnis für den deutschen Film­jour­na­lismus. Schon da, aber das hat jetzt gar nichts mit dem Thema zu tun, wünschte ich mir Genau­ig­keit. Ich sehe mich nicht als »Film­jour­na­list« sondern als »Film­kri­tiker«. Das ist ein wichtiger Unter­schied, den aber Rieger vermut­lich als apoli­ti­sches Kunst­ge­schwafel abtun dürfte, als unnötige Fein­heiten von so Männern im Kunstraum, die die gesell­schaft­li­chen Kämpfe nicht kämpfen wollen. Bei den Fein­heiten aber fängt Film­kritik an, auch wenn das nervt.
Revo­lu­tion und gesell­schaft­liche Kämpfe sind nicht fein­sinnig, das stimmt. Da muss man sich die Hände schmutzig machen und Bündnisse schmieden mit Leuten, mit denen man in vielem nicht einer Meinung ist. Ich würde mir aber wünschen, und vermuten, dass wir auf der selbem Seite der Barrikade stehen, trotz allem.
Rieger behauptet dann weiter, die »rheto­ri­sche Frage, ob man Mr. Weinstein verbrennen solle« sei eine Anspie­lung auf das Bild der Hexenjagd, »übrigens ein Kapitel aus der Geschichte der Misogynie«. Falsch, Frau Kollegin. Der Unter­titel ist eine Anspie­lung auf einen berühmtem Essay von Simone de Beauvoir, übrigens eine der Mütter des Femi­nismus. Ihr Text heißt im Titel »Soll man De Sade verbrennen?« Soll man nicht, sagt Beauvoir, die hier einen Mann vertei­digt, einen gesell­schaft­lich
Geäch­teten, der Perver­sion, des Amora­lismus, der Abartigen Neigungen Beschul­digten. Einen Außen­seiter. Nur zur Erin­ne­rung. Kein Vergleich mit Weinstein impli­ziert.
Aber das sind Kinker­litz­chen. Mit meinen Antworten will ich nur illus­trieren: Ganz so einfach, wie Rieger es sich macht, ist mein Text nicht zu zerlegen.

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Zur Substanz: Der erste Vorwurf ist: Der Titel ist schlecht gewählt. Nein, Harvey Weinstein ist nicht mein Freund. Weiß sie auch. Behauptet trotzdem, ich hätte Harvey Weinstein »als einen Freund« bezeichnet.
Zweiter Vorwurf: Ich zöge mich (und irgendwie alle Männer) »in einen abstrakten Kunstraum zurück«. Tatsäch­lich darf Kunst alles, darf Film­kritik (die ja Kunst ist) alles.
Wo ist das Gegen­ar­gu­ment, Frau Rieger? Was hat die Autorin »gegen diese Argu­men­ta­tion einzu­wenden«?
Dritter Vorwurf: Ich habe Asia Argentos Aussagen als »dummes Zeug« bezeichnet. Stimmt. War nicht gut begründet. Was ich schwer nach­voll­ziehbar finde, ist, dass Argento von Verge­wal­ti­gung spricht, aber den Vorgang erstens so schildert, sie habe Weinstein massiert, zweitens, er habe mit ihr Oral­ver­kehr gehabt – ist das eine Verge­wal­ti­gung? Viel­leicht Zwang, aber schon da fehlt mir die Phantasie. Viel­leicht hat sie sich gezwungen gefühlt.
Und dann? Dann war sie mit dem Typ sechs Jahre on/off zusammen. Sorry, auch da fehlt mir die Phantasie. Asia Argento ist auch meiner Ansicht nach ein Opfer. Aber Weinstein ist in Bezug auf sie nicht unbedingt ein Täter.
Ich will nichts klein­reden. Aber wenn man schon diese Details so analy­siert, wozu, wenn das Ergebnis feststeht, wenn die Analyse nur eine Lesart erlaubt: Nämlich die süffige Illus­tra­tion von der Schuld des Mannes.
Alles nur »Rape Culture Mythen«? Es folgt umgekehrt eine ehren­rüh­rige Unter­stel­lung der Autorin: »Wenn Rüdiger Suchsland schreibt, dass Wein­steins Verhalten nicht zu entschul­digen sei, dann schreibt er das, weil er das muss, nicht aber, weil er das meint.« Auf viele Aspekte von Wein­steins Verhalten bezogen stimmt das nicht. Aber abgesehen davon nimmt die Autorin meine sonstigen Aussagen doch auch gern wörtlich. Dann doch die jetzt bitte auch.

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Vierter Vorwurf: »What­a­bou­tism, die große Kunst, ein Problem mit einem anderen klein zu reden, was freilich nur ein rheto­ri­scher Kniff ist«.
Das bezieht sich auf den von mir vermu­teten »verkappten Anti­se­mi­tismus der Öffent­lich­keit«. Rieger hat recht: »Anti­se­mi­tismus ist scheiße. Verge­wal­ti­gung ist auch Scheiße. Das lässt sich aber gegen­ein­ander nicht aufwiegen.«
Sie hat auch recht: »Harvey Weinstein als Verge­wal­tiger zu bezeichnen ist nicht anti­se­mi­tisch. Anti­se­mi­tisch wäre es zu behaupten, Harvey Weinstein würde verge­wal­tigen, weil er Jude sei. Das hat aber niemand getan und ich fühle mich auf ziemlich sicherem Boden, wenn ich behaupte, dass das nicht einmal jemand gedacht hat.«
Stimmt alles. Woran man aber viel­leicht erinnern darf, und da hätte ich mir mehr Mühe geben müssen, es en detail explizit zu sagen, ist, dass es auffäl­li­ger­weise in den Medi­en­hin­rich­tungen von Männern, die wegen Miss­brauch oder Verge­wal­ti­gung angeklagt werden, sehr oft (und über­pro­por­tional) um Juden geht. Und dass es Diskurse gibt, in denen Juden (und/oder Schwarze) als sexuell besonders potent und demzu­folge besonders potente Bedro­hungen der (weißen und/oder
nicht­jü­di­schen) Frauen und der Macht der (weißen und/oder nicht­jü­di­schen) Männer gezeichnet werden. So wie im Fall des »Kölner Sylves­ters« der »nord­afri­ka­ni­sche Mann«.
Ich schließe daraus gar nichts, ich stelle es in den Raum als Erin­ne­rung und als Auffor­de­rung zum genauen Hinsehen und Hören, wie wir über den »Fall Weinstein« reden.

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Rieger verzerrt meine Argu­men­ta­tion weiter, ohne dass daraus ein Argument würde: Rheto­risch bin ich immer »geschickt«. Was ich aber schreibe, ist keines­wegs wie behauptet »Viel­leicht stimmt das alles einfach nicht«. Sondern ich frage, wie Verena Lueken »Warum jetzt?« und »Qui bono?« Das finde ich inter­es­santer, als noch ein weiteres Opfer­in­ter­view zu führen.
Rieger unter­stellt weiter, ich schriebe die Unwahr­heit: »Angeblich wurde Herr Suchsland nach seiner Reaktion zur Enthül­lung der sexuellen Über­griffe durch Harvey Weinstein gefragt.« Aha, angeblich. Rieger kann sich noch zwei Jahre lang das SWR-Forum zum Thema im Netz anhören, wo ich mit den Kolle­ginnen Verena Lueken und Heike-Melba Fendel 45 Minuten lang disku­tiere – die erste Frage dort lautet: »Wie haben Sie auf die Enthül­lung der sexuellen Über­griffe durch Harvey Weinstein
regiert?«

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Mitunter wird es dann leider blöd: Zur Kritik an der Löschung des Artikels des Missy Magazines fällt Rieger nur ein: »Wir lernen: Sexuelle Beläs­ti­gung anzu­zeigen ist nur dann in Ordnung, wenn ein Mann* angeklagt wird, den andere Männer* nicht mögen. Film­kri­tiker lästern nämlich in der Tat außer­or­dent­lich gerne über Dieter Kosslick.« Jesses!

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Schließ­lich folgt die Forderung nach mora­li­scher Keule, oder film­po­li­zei­li­chen Maßnahmen: Mein Text sollte als »eine Form misogyner Respekt­lo­sig­keit … aller­min­des­tens öffent­lich gerügt werden«. Und weiter: »Es ist unsere Aufgabe, diskri­mi­nie­rende Struk­turen auf sprach­li­cher und inhalt­li­cher Ebene aufzu­bre­chen, sie zu benennen, offen zu legen und zu ihrer Über­win­dung beizu­tragen. Rassismus, Sexismus, Klas­sismus, Ableismus, Ageism und derglei­chen gehen auch uns etwas an! Film­kritik und Film­jour­na­lismus müssen mehr sein als Bauch­pin­selei für Geeks, der verlän­gerte Arm der PR und das elitäre Baden in der mit Löffeln gefres­senen Film­his­to­ri­en­weis­heit hoch oben auf dem Elfen­bein­turm der elitären Conais­seurs. Es geht nicht immer nur um das heilige Abstraktum Filmkunst. Es geht auch um die Welt, in der wir leben und aus der diese Filmkunst entspringt. Es muss nicht jede_r femi­nis­ti­sche Film­kri­tiken schreiben, nicht jeder Text alle „-ismen*g behandeln. Aber sich diesen Themen zu widmen, sollte nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein. Vor allem aber sollten sich alle Journalist_innen aller Themen­be­reiche um diskri­mi­nie­rungs­freie Inhalte und eine entspre­chende Wortwohl und Sprache bemühen.«
Das sehe ich tatsäch­lich ganz anders. Zur Verant­wor­tung der Film­kritik schreibe ich bald gern mehr. Denn das ist ein Thema, über das man für sich debat­tieren muss.

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Womit Rieger recht hat: Ein paar Dinge führe ich aller­dings nicht aus. In den nächsten Wochen gern. Und jederzeit in einem öffent­li­chen Streit­ge­spräch mit Sophie Charlotte Rieger. Falls ihr das nicht zu sehr an ein Duell erinnert und damit zu männlich-archaisch-mythisch ist.

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»…und sammer a die Bledern, die Mehrern sammer doch.«
Isi Tenenbom

(To be continued)

Unter dem Titel »Cinema Moralia« sind auf artechock in loser Folge Notizen zum Kino zu finden, aktuelle Beob­ach­tungen, Kurzkri­tiken, Klatsch und Film­po­litik, sowie Hinweise. Eine Art Tagebuch eines Kino­ge­hers.

1 Kommentar
  1. Ralf Krämer sagte:

    Nach der letzten Cinema Moralia und der Replik von Frau Rieger, die ich in so gut wie jedem Punkt unterschreibe, habe ich gerade nur noch den Nerv diese Replik auf die Replik zu überfliegen. Und wie da schon zu sehen ist, wird die Kritik an seinem Relativismus und an seinem Widerwillen, zwischen einer Debatte über Sexismus in der Filmbranche und einer generellen Debatte über „das Kino“ zu unterscheiden, von Rüdiger Suchsland nun damit gekontert, dass es anscheinend Schauspielerinnen gibt, die zwischen Blicken und Übergriffen nicht unterscheiden wollen. Das ist in der Sache falsch, im Stil unangemessen und insgesamt unfassbar peinlich.

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