Deutscher Film: Neue Wege in die Zukunft IV

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Die Deutschen gehen zu selten ins Kino. Und wenn sei es doch tun, sehen sie die falschen Filme. Am besten sollten sie richtig erzogen werden. | Foto © cinearte

Die Deutschen gehen zu selten ins Kino. Und wenn sei es doch tun, sehen sie die falschen Filme. Am besten sollten sie richtig erzogen werden. | Foto © cinearte

Beim Kongress „Zukunft Deutscher Film“ haben Filmemacher und Fachleute Vorschläge erarbeitet, was besser gemacht werden könnte. Wir stellen die Handlungsempfehlungen vorab vor. Zum Abschluss sprach Claudia Dillmann über „Distribution und Kinokultur“:

Unser Tisch hat sich beschäftigt mit dem weiten Bereich der Filmkultur, der Rolle des Kinos und möglichen neuen Formen der Distribution. Wir haben festgestellt, dass Kultur-Vermittlung nicht allein uns betrifft, sondern ein zunehmendes Phänomen ist in den Theatern, in den Opernhäusern, in den Museen, in der bildenden Kunst überall, aber dort besser funktioniert, als im Bereich der Filmkultur. Wir sind der Auffassung, dass Filmbildung alle Altersklassen und alle Gruppen umfassen muss und das kann nur gelingen, wenn Filmbildung bereits sozusagen im vorschulischen Alter beginnt. Das deutsche Filminstitut hat Erfahrungen gemacht, in Modellprojekten, dass gerade die Vier- bis Sechsjährigen ungeheuer offen sind für filmische Formen, die genießen und schätzen klassische Avantgarde-Filme und Experimentalfilme.

Die 12- bis 14-Jährigen haben diese Offenheit nicht mehr, ihre Sehgewohnheiten sind, wenn ich das mal so ausdrücken darf, versaut. Deshalb ist es wichtig, möglichst früh, möglichst umfassend mit möglichst anspruchsvollem Programm mit der filmkulturellen Bildung zu beginnen.

Wir haben auch festgestellt, dass geeignete Filme für Vorschulkinder im Moment fehlen, also eben Filme, die unter 60 Minuten lang sind, und Filme, die die kindliche Phantasie anregen und über die man anschließend auch mit den Kindern reden kann.

Um aber die Filmkultur in Deutschland wirklich zu fördern und zu verankern, ist es unabdingbar, dass „Film“ endlich als eigenes Fach in der Schule verankert wird, und zwar auch dort ab der 1. Klasse. Wir haben Film im Unterricht schon seit vielen Jahren in den Niederlanden, in Dänemark, natürlich in Frankreich, wo wir immer bewundernd hinschauen. Es gibt jetzt seit einigen Jahren in Bremen, Sachsen, Baden-Württemberg und in Berlin-Brandenburg Film im Unterricht. Uns kommt es darauf an, dass Filmbildung nicht im Dienst anderer Fächer steht, sondern sich aus eigenem Recht legitimiert. Das heißt, da soll der Film im Mittelpunkt stehen, die Ästhetik, das filmische Erzählen, die Vermittlung von Filmgeschichte und natürlich der Vielfalt kinematografischer Formen. Und eben nicht als audiovisuelle Bebilderung eines Themas, das da heißt „NS-Film“ oder was auch immer.

Außerdem sollten im Internet neue Formen des Lernens und der Learning Tools, oder der Lehrmittel zur Verfügung stehen, um dort genau dann mit Hilfe von Ausschnitten zum Beispiel Filmanalyse, filmsprachliche Ausdrucksmittel kennenzulernen und anzuwenden. Generell ein fundiertes Filmwissen zu ermöglichen, was im Unterricht sonst nicht so einfach ist.

Und natürlich gehört zu dieser schulischen Bildung das Kino als außerschulischer Lernort. Hier ist es wichtig, dass die Schulen mit den Kinos zusammenarbeiten, das tun sie ja vielfach schon, zum Beispiel im Rahmen der Schulkinowochen.

Immerhin sind dadurch im letzten Jahr an die 900.000 Schüler im ganzen Bundesgebiet zum Teil erstmals ins Kino gekommen. Das muss verstetigt werden.

Das hat uns zur Rolle des Kinos gebracht. Natürlich wollen Kinos ein tolles Programm machen und damit auch ein junges Publikum gewinnen. Dazu bedarf es finanzieller Unterstützung. Das ist unter den Umständen, unter denen viele Kino-Betreiber hier zu arbeiten haben, nicht möglich. Da bleibt keine Zeit für eine aufwendige Publikumsgewinnung, -adressierung und ein wirklich auch anspruchsvolles und forderndes Programm.

Wir plädieren dafür, dass Kinos zusätzliches Geld dafür erhalten, dass sie sich um attraktive Programme kümmern, dass sie in der Lage sind, Gäste einzuladen, mit den Partnern vor Ort zusammenzuarbeiten, die sich anbieten, mit den Organisationen zusammen ein Kino zu machen, das eben auch schon vormittags beginnen kann und bis nachts geht, und ihre Matinee zu machen. Es gibt, denke ich, das Bedürfnis dafür.

Vor allen Dingen erscheint uns die soziokulturelle Rolle des Kinos insbesondere auf dem Lande von überragender Wichtigkeit. Kinos sind zum Teil die einzigen, die auf dem Lande noch solche kulturellen Zentren bilden. All dies erscheint uns als wesentlicher Grund, eine zusätzliche Förderung der Kinos (insbesondere auf dem Lande) zu fordern.

Es gibt viele Initiativen, die im Augenblick Kinos gründen wollen, die Zeit ist gut dafür, die Digitalisierung erlaubt es. Es geht darum, auch Investitionen für Neugründungen von Kinos zu ermöglichen, es muss Ansprechpartner geben, die einem Verein sagen, wie er ein Kino aufbauen kann, es muss auch Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung von Kino-Betreibern geben.

Es war nicht unsere Aufgabe, über Förderung nachzudenken. Das hat die erste Gruppe gemacht, wir sind aber über die Frage „Wie können neue Distributionsformen aussehen?“ in das Minenfeld geraten: Kinoauswertung und VoD. Wir haben es mal so auf den Punkt zu bringenversucht : Wir sind dafür, dass die starren Regelungen beendet werden, weil es eine Flexibilisierung braucht, wie immer sie aussehen mag. Wir verstehen die Ängste von Kinobetreibern, die sagen, VoD-Auswertung zeitnah am Starttermin ist der Tod des Kinos. Wir glauben das nicht.

Wir glauben, es gibt vielfältige Formen, wie sich Kinostart und VoD kombinieren lassen. Wir sind der Meinung, dass Verleiher und Kinobetreiber mehr miteinander Lösungen entwickeln sollen. Es kann ja nicht sein, dass es keine Kompensation für die Kinobetreiber gibt, die einen Film ins Gespräch gebracht haben, mithilfe des Verleihs, aber eben auch vor Ort.

Für das Publikum ist es vollkommen naheliegend, kein Mensch versteht, warum das alles sich so lange hinzieht, der Film längst aus der allgemeinen Diskussion verschwunden ist, wenn er dann irgendwann auf VoD läuft. Also gibt es Möglichkeiten der Kompensation, wenn ein Kino einen Film gespielt hat, der hat nach seiner Auswertung unmittelbar danach auf VoD läuft. Es gibt die Möglichkeiten, dass Kinos selbst entscheiden, ob sie diesen Film auf ihre Plattform bringen. Man sollte den Mut haben, das einfach mal durchzuspielen. Denn das Publikum, das neue Publikum, findet sich halt vielfach im Netz und nicht zunächst mal vor Ort im Kino.

Von Verleihförderung war schon die Rede. Auch da sollte man entkoppeln. So wie womöglich Filmförderung vom TV entkoppelt wird, sollte man das hier auch machen: Filmförderung von der Verleihförderung entkoppeln. Insbesondere, wenn die DFFF-Förderung verlangt, von vornherein einen Verleih-Vertrag vorzulegen. Das ist ziemlich unzumutbar für beide Parteien, also den Produzenten wie für den Verleiher. Und es sollte eine grundsätzliche Möglichkeit geben, Verleihförderung auch einem Film angedeihen zu lassen, der keine Produktionsförderung bekommen hat.

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