Die Seuche ist zwar per Dekret beendet, aber was versteht so ein Virus schon? Noch immer sterben am Tag allein in Deutschland rund 300 Menschen ein Corona. Haben wir uns etwa an solche Zahlen gewöhnt? Szenenfoto aus „Ich – Einfach unverbesserlich“. | Foto © Universal

Mitschuld und Mitleid: Die Impfpflicht gibt es längst – Gedanken in der Pandemie, Folge 147.

„Du magst am Krieg nicht interessiert sein, aber der Krieg interessiert sich für dich.“
Lew Trotzki 

„Wir sitzen in der Arena des unvollendeten Projektes moderner Revolutionen und warten auf die Stars, die revolutionären und konterrevolutionären Subjekte. Doch niemand läuft ein. Ein treffliches Bild der lauen Gegenwart: Wartezeit und leeres Spielfeld.“
Matthias Beltz (1945-2002)

Heute sehnen wir uns zurück nach dieser lauen Zeit des Posthistoire, den Jahren des „Endes der Geschichte“. Mit der Pandemie spätestens ist sie zurückgekommen. Schon damals, erst recht jetzt im Ukraine-Krieg, der uns so nahe kommt, wie zuletzt der Bürgerkrieg in Jugoslawien – egal ob diese Feststellung jetzt sehr pc und sehr nett gegenüber den Syrern und Afghanen, den Israelis und Palästinensern ist, und allen anderen, noch ferneren, an deren fatales Schicksal wir uns schon längst gewöhnt haben. 

Die Pandemie hat uns bereits etwas gelehrt, was uns jetzt, im Angesicht des Krieges nicht mehr überrascht:  unsere Gleichgültigkeit, unsere Gewöhnungsbereitschaft. 

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Alexander Kluge ist Schriftsteller, Filmemacher, Medienpolitiker und einer der großen Intellektuellen des Landes. Mitte Februar wurde 90 Jahre alt. Und mischt weiter mit. | Foto © Markus Kirchgessner

Artistik, Eigensinn und Verteidigung der Unterscheidungskunst: Zum 90. Geburtstag von Alexander Kluge. Feuilletonkolumnen als Objekt von Symbolpolitik – Gedanken in der Pandemie, Folge 146.

„Der Krieg ist ein Chamäleon.“
Carl von Clausewitz

Zum Ukraine-Krieg möchte ich hier und jetzt nichts schreiben. Wen das interessiert, der kann unter meinem Namen die Texte bei „Telepolis“ googeln. Da auch ein sehr gutes Interview mit Ulrike Guerot zu Corona, zu dem ich in der nächsten Ausgabe noch was schreibe.

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Politisches Rätselraten gibt es nach wie vor über die beabsichtigte Einführung der allgemeinen Impfpflicht. Die Ampelkoalition scheint sich darüber weiterhin nicht einig zu sein: SPD und Grüne wollen sie, die FDP ist da eher gespalten. Abgeordnete in der FDP fürchten einen unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff. So auch der Bundesjustizminister Marco Buschmann: „In meinen Augen können nur gewichtige Rechtsgüter der Allgemeinheit wie die Abwehr einer Überlastung des öffentlichen Gesundheitssystems einen solchen Eingriff rechtfertigen. Ob das derzeit tatsächlich noch eine drohende Gefahr ist, daran kann man zweifeln.“ So Buschmann am 19. Februar im „Spiegel“. 

Eine schräge Argumentation: Denn es war seit jeher die Überlegung, dass eine Impfpflicht vor allem eine präventive Maßnahme ist. Das heißt: Es kann nicht angehen, dass man in Zeiten einer akuten Überlastung und sonstigen Gefahr gegen eine Impfpflicht mit dem Argument eintritt, jetzt bringe das alles ja nichts mehr, dass man aber in den Zeiten in denen Prävention möglich ist, dagegen argumentiert mit der Begründung, jetzt sei die Gefahr ja nicht akut. Das ist übelste Sophistik.

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Wahnsinn! Jetzt muss keine*r mehr alleine spazieren gehen: Ein Dating-Portal will „alle impffreien und bewussten Menschen“ zusammenbringen. Sogar in mehreren Sprachen. | Screenshot

Geisterspiele: Netz, Fußball und Feuilletonkolumnen als Objekt von Symbolpolitik – Gedanken in der Pandemie, Folge 145.

„Man sollte nicht Handlanger eines ideologischen Lagers sein, und man darf keine Angst vor Wutstürmen haben. Genau dazu ist die Meinungsfreiheit ja da: um Dinge zu sagen, die manche nicht hören möchten.“
Harald Martenstein, 20. Februar 2022

„Die einzige Kirche, der ich angehören möchte, ist die, die man im Dorf lässt.“
Hermann L. Gremliza (1940-1919), „Konkret“-Chefredakteur

Der ganz normale Wahnsinn unserer Gegenwart treibt immer neue Blüten. So gibt es seit kurzem auch ein Datingportal für Ungeimpfte. 

Wer plötzlich „viel Freizeit wegen 3G“ hat, kann auf dem „Verbindungsportal“ „Impffrei.Love“ Liebespartner finden, denen garantiert kein Bill-Gates-Chip eingepflanzt wurde. Mit einem Bild des Matterhorn wirbt die Schweizer Website, die, wie die SZ berichtet, mit einer semipolitischen Organisation namens „Generation Freiheit“ verbandelt ist, in leicht surrealen Worten für „Impffreie Liebe“ und wendet sich an „alle impffreien und bewussten Menschen“, die „lieber Händchen halten, statt Abstand halten.“ Weiter raunt man von der „Möglichkeit der Vernetzung mit Gleichgesinnten“

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1968, als wenigstens morgens um 7 die Welt noch in Ordnung war. | Foto © HR/Degeto

… und am Ende des Tages sind wir alle klüger. Warum wir nicht in ruhigen Zeiten leben, und das auch gut so ist – Gedanken in der Pandemie, Folge 144.

„Ohne Spaltung keine Politik.“
Michael Rutschky (1943-2018)

„The mind does not come to life until it meets something it cannot comprehend.“
James Carse (19??-2020)

Eine lange Winterschlaf-Pause war das; jetzt sind wir wieder da im Herbst der Pandemie, bevor diese dann zu einer Endemie wird. Wollen wir doch hoffen!

Aber auch in den letzten fünf Wochen hat sich – seien wir ehrlich! – nichts wesentlich geändert. Die Themen,  die öffentlich im Zusammenhang mit der Pandemie diskutiert werden, sind die gleichen geblieben: Impfpflicht, der Umgang mit Impfgegnern, die Frage der Gefährlichkeit von Omikron, der sozialpsychologische Zustand der Republik, der Vergleich mit England (die natürlich alles schlechter machen, als wir), der Vergleich mit Österreich (wo man nichts schlechter macht, manches vielleicht sogar besser, es aber bei uns nicht wahrhaben will), vielleicht noch der Blick nach Schweden (wo sowieso alles ganz schlimm ist, oder?).

Gleich geblieben sind auch die Leerstellen, also das was nicht besprochen wird, 

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„Den Weihnachtsmann gibt es nicht“, hatte ein Bischof auf Sizilien gepetzt und wurde prompt als Spielverderber geschimpft. Dabei hatte er bloß das Geschäftsmodell dahinter angeprangert: „Warum bringt der Weihnachtsmann nur den Reichen Geschenke und nicht den Kindern, die nichts haben?“ Szenenbild aus „Versprochen ist versprochen“. | Foto © 20th Century Fox

Entscheidende Augenblicke: Französische Erfahrungen, deutsche Fragen und die Steuerungsfähigkeit des Staates in der Tyrannei der Ungeimpften – Gedanken in der Pandemie, Folge 143.

„Die Schlacht von Austerlitz ist die schönste, die ich jemals geschlagen habe.“
Napoleon Bonaparte, an Josephine, am 2. Dezember 1805

„Der Nebel begann sich zu zerteilen, und in einer Entfernung von etwa zwei Werst konnte man bereits auf den gegenüberliegenden Höhen feindliche Truppen wahrnehmen, wenn auch nur undeutlich. Von links unten wurde das Schießen vernehmbar. Kutusow machte halt und sprach ein paar Worte mit einem österreichischen General. Fürst Andrej hielt dicht hinter ihm und beobachtete die beiden, dann wandte er sich an einen Adjutanten, um sich dessen Fernrohr auszubitten. ,Sehen Sie bloß, sehen Sie bloß‘, sagte dieser Adjutant und blickte nicht auf die Truppen in der Ferne, sondern vor sich den Berg hinunter. ,Das sind die Franzosen!‘ Die beiden Generäle und die anderen Adjutanten griffen nach dem Glase und entrissen es einer dem anderen. Ihre Gesichter hatten sich plötzlich verfärbt und drückten Entsetzen aus. Sie hatten die Franzosen in zwei Werst Entfernung geglaubt, und jetzt standen sie plötzlich unerwartet vor ihnen. ,Ist das der Feind? … Nein! … Aber sehen Sie doch, das ist er … ganz sicher … Was ist das?‘ schwirrte es durcheinander. Fürst Andrej erkannte mit bloßem Auge rechts unten eine dichte Kolonne Franzosen, die nicht weiter als fünfhundert Schritt von der Stelle entfernt war, wo Kutusow hielt. Jetzt ist er da, der entscheidende Augenblick. Jetzt ist’s an mir! dachte Fürst Andrej, riss sein Pferd herum und ritt an Kutusow heran.“
Leo Tolstoi, 

„Den Weihnachtsmann gibt es nicht.“
Antonio Staglianò, Bischof von Noto auf Sizilien am 6.12.2021

Es gibt nicht nur eine epidemische Lage von nationaler Tragweite, sondern auch epidemische Lügen. Und  epidemische Dummheit von nationaler Tragweite. Sie kann man leider nicht abschaffen.

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Pieks! | Grafik © Ayzit Bostan

Proporz-Probleme und Wissenschaft – Gedanken in der Pandemie, Folge 142.

„Wir müssen jene berücksichtigen, die fortgesetzt Fragen stellen und keine Schlüsse ziehen.“
Albert Camus, Schriftsteller, Philosoph

„Ich möchte nicht, dass wir dazu beitragen, dass die Schwierigkeiten noch größer werden.“
Rita Süßmuth, Gesundheitsministerin, 1985 zu ihrer AIDS-Kampagne

„Was im kollektiven Unterbewusstsein der Epoche rumort, das erscheint mit tödlicher Sicherheit auf der Leinwand – wenn auch zumeist in gefälliger Verpackung, mit tröstlichem Happy End und den Wechseln der Maskierung. Wenn unser Blick diese Schichten durchdringt, stoßen wir auf Zentralpunkte des modernen Lebensgefühls – und immer wieder auf die große Angst, das verborgene Leitmotiv der Zivilisation: Angst vor der Katastrophe, Angst vor der Langeweile, Angst vor der Angst.“
Gunter Groll, Filmkritiker

 

Wir können Geburtstag feiern. Aber vielleicht ist uns gar nicht zum Feiern zumute. Trotzdem: Vor fast genau zwei Jahren wurde das Covid-19-Virus erstmals in Europa nachgewiesen. Man hat dem damals noch keine große Bedeutung gegeben. aber ungefähr vor zwei Jahren und so um Weihnachten oder Silvester 2019 herum ging alles los. Und dann ging es wie wir uns erinnern sehr schnell. seitdem ist immer wieder von der neuen Normalität oder gar von der neuen Realität die Rede, was ich beides für ziemliches ideologisches Geschwätz halte. Denn weder sind die Verhältnisse normal noch hat sich die Realität – zu Erinnerung: gemeint ist die Wirklichkeit – geändert.

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Freiheit oder Pflicht? Die Impffrage ist zu einem Kulturkampf geworden. Szenenfoto aus „Idiocracy“. | Foto © 20th Century Fox

Wie dysfunktional Medien heute mit Intellektualität umgehen: Protokoll einer sehr deutschen Debatte, Akt I – Gedanken in der Pandemie, Folge 141.

„Was heißt das übersetzt? Sind das dumme Menschen, die sich nicht impfen lassen?“
Markus Lanz

„Manche kriegen wir gar nicht mehr. Bei manchen wirkt vielleicht die Bratwurst. Bei manchen wirkt das rationale Kalkül, manche kriegt man noch über Solidarität.“
Alena Buyx, Medizinethikerin

Dienstag, der 2. November 2021 war der Tag, an dem in Deutschland erstmals einigermaßen vernünftig über das Boostern geredet wurde. Davor hat fast niemand davon gesprochen, schon gar nicht der damals noch amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn. Da trat in der außergewöhnlichen und unbedingt nachholenswerten Sendung „Markus Lanz“ die Vorsitzende des deutschen Ethikrats, die Medizinethikerin Alena Buyx, vors Publikum, und sagte „das niedrigschwellige Impfen ist eine wichtige Sache, aber man muss auch nach-boostern.“

Von diesem Tag an war auf einmal klar: zwei Impfungen reichen nicht – das schlichte 2G ist nicht genug.

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Der eine kommt, die andere geht. Millionen schalteten zum Abschied der Kanzlerin den Fernseher ein, um zu hören wie ein Nina-Hagen-Hit mit Blasmusik klingt. Und Karl Lauterbach wird in Zukunft wohl weniger Zeit für Talkshows haben. | Foto © BR

Karl Lauterbach talkt sich auf einen Ministersessel. Und die Physikerin tritt ab – Gedanken in der Pandemie, Folge 140.

„Ich möchte Deutschland dienen.“
Angela Merkel, 2005 bei ihrem Amtsantritt

„Weg mit den Spaltern der Arbeiterfront/ den Verrätern am Proletariat!/
Uns hilft nur die Rote Einheitsfront/ von Arbeiter, Bauer und Soldat/
Heraus aus dem alten Wahne/ Die Einheitsfront marschiert/
Unter der roten Fahne/ von Marx und von Lenin geführt.“
Text: Erich Weinert; Komposition: Hanns Eisler; Gesang: Ernst Busch 

Deutschland ist gerettet! Der Messias ist da!! Das Volk hat seinen Retter!!! Den Pandemieversteher, der spätestens heute auch ein Pandemiegewinner ist: Karl Lauterbach. Er ist der beste Beweis dafür, wie man allein durch Talk-Show-Auftritte Macht gewinnen, und sich die Gunst des Volkes und damit der Parteien erringen und sich unentbehrlich machen kann. 

Das Beste an dieser Ernennung ist, dass das Bild des heiligen Lauterbach jetzt ziemlich schnell Risse bekommen wird. Denn alle Menschen machen Fehler. Und auch Karl Lauterbach ist, selbst wenn das manche nicht mehr wahrhaben möchten, ein Mensch. Er wird Fehler machen. Und das ist zumindest für ihn eine neue und gute Erfahrung.

Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios kommentierte heute treffend: „Lauterbach verdankt seine Berufung einer medialen Dauerpräsenz und seiner öffentlichen Position als Corona-Mahner. Jetzt aber muss Lauterbach beweisen, dass er nicht nur von der Pandemie warnen, sondern sie auch managen kann.“

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Es kriselte schon mächtig: Anfang 1969 trafen sich die Beatles sich in einem Filmstudio für die Aufnahmen zu ihrem Album „Let it be“. Peter Jackson hat das Material eindrucksvoll restauriert. Der Doku-Dreiteiler „Get Back“ erzählt das Ende der Kult-Band neu. | Foto © Disney Plus

Die Medien als Pandemie-Treiber. Das Versagen der Politik. Und die Verantwortungslosigkeit der Bürger – Gedanken in der Pandemie, Folge 139.

„Doesn’t have a point of view/Knows not where he’s going to/Isn’t he a bit like you and me?“
The Beatles, „Nowhere Man“

„If you are the dealer, I’m out of the game
If you are the healer, it means im broken and lame
If thine is the glory, then mine must be the shame
You want it darker
We kill the flame“
Leonard Cohen, „You Want It Darker“

„Vertrauen ist der Anfang von allem.“
Deutsche-Bank-Werbespot, 1990er-Jahre 

„Ich bin hingerissen!“ schrieb mir ein begeisterter Oliver Zenglein gleich ganz unmittelbar am gestrigen Sonntag seinen Eindruck von Peter Jacksons Doku-Miniserie über die Beatles: „Und ich war immer eher der John-Lennon- Typ. Aber jetzt bin ich ein Fan von Paul. „Peter Jackson kommentiert nichts. Er lässt es laufen. Wir sehen vier junge Männer (die sind ja erst zwischen 25 und 28, sehen aber älter aus) die eigentlich schon alles erreicht haben, aber die mit Epstein ihren Vater verloren haben. Sie sind so unglaubliche Musiker und trotz allem auch Kindsköpfe. Es ist magisch zu sehen, wie ,Get Back‘, ,Don‘t Let Me Down‘ und ,Let It Be‘ entstehen. Und Yoko? Und Paul? Hier muss Musikgeschichte umgeschrieben werden. Die beiden waren nicht der Grund der Trennung.“

Auch sonst erfährt man offenbar Neues: „Wusstest du, dass sie Billy Preston ins Studio geholt hatten und er eigentlich auf allen Songs der LP ,Let It Be‘ dabei ist? Er war quasi ein schwarzer fünfter Beatle.“ 

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Gleich vier Filme über Kühe waren vorige Woche auf dem Festival Mannheim-Heidelberg zu sehen. Zum Beispiel Andreas Arnolds „Cow“. Fürs Impfen (und die Angst davor) hat das Tier übrigens eine besondere Bedeutung. | Foto © IFF Mannheim-Heidelberg

Warum wir uns verkuhen müssen und man es nicht allen rechtmachen kann: Professorenpolitik, Fortschrittsfeindschaft und Schweden – Gedanken in der Pandemie, Folge 138.

„Schon jetzt sterben in unserem Land 700 Menschen pro Woche – Tendenz steigend. Jeder Tag des Abwartens kostet Menschenleben. […] Verantwortung [bedeutet] eine aufrichtige, besonnene und vor allem kohärente Kommunikation, die den Bürgerinnen und Bürgern vertraut, ihnen aber auch unangenehme Wahrheiten zumutet sowie klare und konsistente Verhaltensrichtlinien vorgibt. Dass eine solche Kommunikation sowie einheitliche verbindliche Regelungen weiterhin fehlen, untergräbt das Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung, beschädigt somit auch das Vertrauen in die Maßnahmen – unter anderem in das Impfen – und trägt dadurch erheblich zur Verlängerung der Pandemie bei.“
Appell von 35 Wissenschaftlern. 

„Wenn nur soziale Gebilde beständen, denen die Gewaltsamkeit als Mittel unbekannt wäre, dann würde der Begriff ,Staat’ fortgefallen sein, dann wäre eingetreten, was man in diesem besonderen Sinne des Wortes als ,Anarchie’ bezeichnen würde. Gewaltsamkeit ist natürlich nicht etwa das normale oder einzige Mittel des Staates: – davon ist keine Rede –, wohl aber: das ihm spezifische. Gerade heute ist die Beziehung des Staates zur Gewaltsamkeit besonders intim. In der Vergangenheit haben die verschiedensten Verbände – von der Sippe angefangen – physische Gewaltsamkeit als ganz normales Mittel gekannt. Heute dagegen werden wir sagen müssen: Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.“
Max Weber, „Politik als Beruf“; 1919.

„Vaccination“ – gleich vier Filme über Kühe waren in der letzten Woche auf dem „Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg“ bei seiner 70-Jahre-Jubiläumsausgabe zu sehen. In einem stand eine Kuh nicht nur im Mittelpunkt, sondern sie war Heldin und Hauptfigur des Films: Ausgerechnet von der britischen Sozialrealistin Andreas Arnold stammt er und heißt wie sein Gegenstand: „Cow“. 

Ein wunderbarer, schöner Film, auch für Nicht-Vegetarier wie mich. Er brachte mich auf etwas anderes. Woher kommt eigentlich der Ausdruck „vaccination“ und „vaccinare“? Hat das am Ende etwas mit Kuh zu tun? Tatsächlich! 

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Manche vertrauen lieber auf Hausrezepte als auf Impfstoffe als Schutz gegen das Virus. In Österreich ist das Anti-Wurmmittel Ivermectin ausverkauft.

Die Inszenierung der Unfähigkeit: In der Matrix; die Wahrheit da draußen. Und ein Plädoyer für Gelassenheit – Gedanken in der Pandemie, Folge 137.

„Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie bei’m Kragen hätte.“
Goethe, Faust I, Vers 2182

„Die Pandemie wird erst beendet sein, wenn sich jeder infiziert hat – entweder nachdem er auch geimpft worden ist oder davor.“
Christoph Specht, Medizinexperte

In Österreich ist neuerdings das Anti-Wurmmittel Ivermectin ausverkauft. Obwohl Experten und Wissenschaftler von der Einnahme abraten, ist das vor allem in der Tiermedizin eingesetzte und rezeptpflichtige Medikament in vielen Apotheken Österreichs ausverkauft. In impfskeptischen Kreisen wird das Medikament nämlich neuerdings als Wundermittel gegen Covid-19 gefeiert. In der Tiermedizin dient Ivermectin vor allem bei Pferden, Schafen, Schweinen oder Rindern zur Entwurmung. Beim Menschen sind die Ivermectin-Tabletten zur Behandlung von Krätzmilben, Zwergfadenwürmern, tropischen Fadenwürmern oder Kupferakne zugelassen.

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Die Inzidenzen steigen, die Diskussion schwillt an: Impfzwang oder nicht? (Szenenfoto aus „Beyond Re-Animator“). | Foto © Capelight Pictures

Stattdessen gibt es Dinge, die man nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitmenschen tun muss, aber auch erhöhter Druck führt zum Impferfolg – und eine Erinnerung an Bettina Gaus. Gedanken in der Pandemie, Folge 136.

„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“
Ludwig Wittgenstein, 6.43

„Ich weiß aber eines: ich würde wahrscheinlich noch drei Minuten vor dem sicheren Tode lachen.“ 
Hannah Arendt

Es sind sehr sehr traurige Nachrichten, die uns letzte Woche erreicht haben: Bettina Gaus ist gestorben. Nach „kurzer schwerer Krankheit“. Sie war erst 64 Jahre alt, und arbeitete 30 Jahre für die taz. Ein großer Verlust für den deutschen Journalismus und für die deutsche Öffentlichkeit in der sie eine einmalige, unverzichtbare Figur war.

Ich habe sie nicht wirklich gekannt, bin in nur ein paar Male in größeren Runden begegnet, bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen zum Beispiel und einmal, als sie vor etwa zehn Jahren im Auswärtigen Amt ihr Buch über Afrika vorstellte, über ihre Erfahrungen berichtete. Mit einem Afrikaner hat sie auch zusammen gelebt, und eine Tochter gehabt. 

Für ihr Buch ist Gaus, die sowieso gern reiste, mit Laptop und leichten Gepäck monatelang durch Afrika gereist. Ihre zentrale These ist für uns heute auch noch interessant: Mittelstand muss entwickelt werden. Je weniger groß die Unterschiede zwischen Arm und Reich in einem Land sind, umso glücklicher sind die Menschen, um so friedlicher die Gesellschaften. 

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Ab Donnerstag im Kino: Die Langzeitdokumentation „Aufschrei der Jugend – Fridays for Future inside“ begleitet die Bewegung über anderthalb Jahre. | Foto © W-Film

Frauen, Bücher, Fußballer in Coronazeiten – Gedanken in der Pandemie, Folge 135.

„Sensibilität ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Im Kampf um Anerkennung unterdrückter Gruppen spielt sie eine wichtige Rolle. Aber sie kann auch vom Progressiven ins Regressive kippen. Über diese Dialektik müssen wir nachdenken, um die gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden.“
Svenja Flaßpöhler, Philosophin

„Wenn eine Frage an uns gestellt wird, müssen wir antworten. Die Frage ist immer nur: wie tun wir das, wann tun wir das und in welcher Form tun wir das. Die schnelle Antwort ist ja nicht immer die beste.“
Felicitas Hoppe, Schriftstellerin

„Bücher sind Empathie-Maschinen.“
Margaret Atwood

Ja, jetzt gehen die Zahlen wieder hoch. Und zwar rasant! Die Diskussionen kehren wieder, wie Inzidenzwerte zu bewerten sind, was im Sommer versäumt wurde, was man sich in Kulturstätten und an den Schulen trauen darf, ob Kinder besonders gefährlich, besonders zu schützen, oder beides sind. Und wie in den letzten bald zwei Jahren debattieren wir in Deutschland so, als ob wir allein auf der Welt wären, als ob wir von anderen Ländern nichts zu lernen hätten.

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„Eine wunderbare Hommage an den klassischen Journalismus in Zeiten seines Untergangs, und eine Erinnerung an Zeiten, als man die Welt dem Publikum noch entdeckte und beschrieb, nicht bewertete und zensierte“: Wes Andrsons „The French Dispatch“ – jetzt im Kino. | Foto © Disney

Schöne Aussichten: Eine Welt ohne Menschen, eine Buchmesse ohne Rechte, Springer ohne Döpfner und eine Union ohne Söder. Und wieviel wiegt eigentlich Bayern? Gedanken in der Pandemie, Folge 134.

„Ihr sorgt euch um die Natur? Baut weniger Straßen. Ihr sorgt euch um bedrohte Arten? Fahrt weniger Auto.“
Fraser Shilling, Biologe

„Was ich nach meinen ersten Besuchen im Iran zu schätzen gelernt habe, war die bedingungslose Herzenswärme. Die Leute sind vorsichtig, wenn sie die Regierung kritisieren. Zugleich ist für sie klar: Man darf einer Regierung nicht blind vertrauen.“
Sanam Afrashteh, deutsche Schauspielerin mit iranischen Eltern

 

Nein! Heute nichts zu Julian Reichelt. Nein!! Vielleicht am Montag.

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Über dreieinhalb Stunden, aber die lohnen sich: In einer sechsteiligen Langzeitdoku zeigt der NDR „Kevin Kühnert und die SPD“. | Foto © NDR

Öffentlich-rechtliche Sender über Kevin Kühnert und über die Brasilien-Koalition – Gedanken in der Pandemie, Folge 133. 

„Wer wie der Hamburger CDU-Vorsitzende Ploß nur 15 Prozent holt, der sollte sich mit Ratschlägen zur Ausrichtung der CDU zurückhalten.“
Karl-Josef Laumann, CDU

Wenn ich irgendwann mit einem Raumschiff diese Erde verlassen müsste, dann müsste es so aussehen wie das Berliner ICC. 

Eine wunderschöne Hymne auf diesen „Panzerkreuzer Charlottenburg“ hat Niklas Maak in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschrieben. Das seit Jahren leerstehende Berliner ICC wird jetzt zehn Tage lang von Künstlern bespielt und belegt das immense Potenzial des Riesenbaus, eines „Labyrinthgarten voller Fiktionen“.

Hier, nur hier wäre zum Beispiel der Ort, wo man eine wirklich neue, also eine neu gedachte Berlinale veranstalten könnte. 

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